Dräger während des Nationalsozialismus - Zwangsarbeiter 1942

Dräger während des Nationalsozialismus

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Unsere Vergangenheit – unsere Verantwortung

Das Drägerwerk stellt seit Anfang des 20. Jahrhunderts Geräte für den Atemschutz her. Das sind vor allem Bergbaugeräte, auch Taucherausrüstungen und Atemgeräte für den Aufenthalt in größeren Höhen. Diese Technologien weckten im Ersten Weltkrieg das Interesse des Militärs. Auf Grundlage der Erfahrungen im zivilen Bereich entwickelte und produzierte das Drägerwerk u.a. Heeresatmer, Gasschutzmasken, Tauchretter, Lufterneuerungsanlagen und Höhenatmer sowie Narkose- und Beatmungsgeräte für den Einsatz in Feldlazaretten.

Zeit der Weimarer Republik

Während der Weimarer Republik gehörte das Reichswehrministerium ab Ende der 1920er Jahre zu den Auftraggebern des Drägerwerks. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1933 erhielt Dräger – in Fortsetzung der Zusammenarbeit mit Heer, Marine und Luftwaffe – weiter Aufträge von militärischen Stellen. Im Zuge der Aufrüstungspolitik des NS-Regimes wurde die Produktion ausgeweitet, und mit Beginn des Krieges kam es zu einem forcierten Ausbau der Militärproduktion. Das Drägerwerk war in der Zeit des Nationalsozialismus in die Rüstungswirtschaft des Deutschen Reiches integriert.

Einsatz von Zwangsarbeitern

Das bedeutete auch, dass im Drägerwerk Zwangsarbeiter eingesetzt wurden. Die Zwangsarbeit der NS-Zeit ist ein dunkles Kapitel der deutschen Wirtschaftsgeschichte – und damit auch unserer Unternehmensgeschichte. Sie wurde im NS-Staat systematisch organisiert, um die an der Front kämpfenden Arbeiter zu ersetzen und die Kriegsproduktion aufrechtzuerhalten: 1944 stellten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter etwa ein Viertel aller in der deutschen Wirtschaft beschäftigten Arbeitskräfte.

Nichts beschönigen

Die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter bei Dräger haben darunter gelitten, dass sie unfreiwillig für unser Unternehmen tätig waren. Es gibt nichts zu beschönigen. Ihr Schicksal bewegt uns bis heute zutiefst. Es tut uns aufrichtig leid, dass Menschen im Zweiten Weltkrieg gezwungen wurden, für unser Unternehmen zu arbeiten.

Aufarbeitung

Dräger hat sich seit Ende der 1980er Jahre mit dem Thema intensiv auseinandergesetzt. Die Geschichte der Zwangsarbeit bei Dräger wurde aufgearbeitet, ehemalige Zwangsarbeiterinnen wurden nach Lübeck eingeladen, und Dräger hat sich an der Stiftungsinitiative "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ zur Entschädigung der Zwangsarbeiter im Jahr 2000 beteiligt.

Studie über Heinrich Dräger

Die Familie Dräger hat im Jahr 2018 eine umfassende biografische Studie über Heinrich Dräger bei einem unabhängigen HistorikerInnen-Team in Auftrag gegeben. Zwei Kapitel befassen sich ausführlich mit den Jahren 1933 bis 1945. Die Recherchen und das daraus resultierende Buch werden dazu beitragen, auf wissenschaftlicher Basis verschiedene Sichtweisen diskutieren zu können und größtmögliche Objektivität und Transparenz zu erreichen.

Heinrich Dräger

Der Unternehmer Heinrich Dräger in der NS-Zeit

Der Unternehmer und Mensch Heinrich Dräger hatte generell das Wohl und den Schutz des Unternehmens und der Mitarbeitenden im Blick. Vor allem mit dieser Motivation hat er sich dem NS-System zum Teil angepasst und untergeordnet. Die Integration des Drägerwerks in die Rüstungswirtschaft mit allen Konsequenzen hat Heinrich Dräger mitgetragen.

Heinrich Dräger hat aber im Rahmen seiner Möglichkeiten auch Verfolgten des NS-Systems geholfen und damit Leben gerettet.

Heinrich Dräger und die NSDAP

Als Leiter des Drägerwerks, das für viele zivile und mit dem Krieg auch für viele militärische Bereiche in Deutschland wichtig war, trat Heinrich Dräger 1933 in die NSDAP ein.

Einerseits war die Mitgliedschaft notwendig, wenn er den Betrieb sichern wollte. Heinrich Dräger hatte nicht nur Verantwortung für seine Familie, sondern auch für seine Mitarbeiter und deren Familien. Es bestand immer die Gefahr, dass Staat und Partei im Unternehmen Einfluss nehmen würden.

Auf der anderen Seite übte die NS-Bewegung vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise 1929/32 eine nicht zu unterschätzende Anziehungskraft aus. Nationalsozialist war Heinrich Dräger nicht. So lehnte er den Antisemitismus der NS-Ideologie entschieden ab, und er war ein Gegner des Krieges. Er hieß aber gerade die wirtschaftspolitischen Entwicklungen gut, und von den wirtschaftlichen Erfolgen der ersten Jahre nach 1933 ließ er sich beeindrucken.

Heinrich Dräger war kein Aktivist in der NSDAP, er übernahm keine Ämter und wirkte nicht auf andere Personen ein, in die Partei einzutreten.

Plakat 'Die Volksgasmaske'

Umfang der Rüstungsproduktion

Der allgemeine Wirtschaftsaufschwung seit 1933 führte für das Drägerwerk zu einer Absatzsteigerung in den zivilen Bereichen Bergbau und Medizintechnik. Doch mit der Aufrüstung, die seit Mitte der 1930er Jahre vom NS-Regime forciert wurde, stieg der Anteil der militärischen Produktion im Verhältnis zum zivilen Sektor immens.

Die Mitarbeiterzahlen stiegen, die Produktionskapazitäten wurden erweitert. Das Unternehmen profitierte ohne Frage von der Entwicklung. Auf der anderen Seite lief das Drägerwerk Gefahr, dass Überkapazitäten entstanden und dass mit dem Übergewicht an Militäraufträgen der Einfluss von Regierungsstellen zunahm. Die Aufrüstung war zudem mit einer Autarkiepolitik verbunden, die dazu führte, dass Dräger die gerade zurückerlangte Position auf dem Weltmarkt wieder verlor.

Zu den Regierungsaufträgen gehörte auch die 1937 eingeführte „Volksgasmaske“. Die Volksgasmaske war für die Zivilbevölkerung gedacht, und hatte keinen offensiven Verwendungszweck. Daher stufte Dräger sie als Zivilgerät ein und der Umsatz wurde nicht zum Militärumsatz hinzugerechnet.

Einsatz von KZ-Häftlingen

Die Ausweitung der Produktion und die zunehmende Einberufung von Arbeitern zum Kriegsdienst mit fortschreitender Kriegsdauer bedingten einen ständigen Arbeitskräftemangel bei Dräger, so wie in der gesamten deutschen Wirtschaft. Dieser wurde mit Zwangsarbeitern ausgeglichen.

Die ersten Zwangsarbeiterinnen kamen Ende 1941 ins Drägerwerk, es handelte sich um eine Gruppe Polinnen. Ab Oktober 1943 arbeiteten an den Standorten in Hamburg und Lübeck durchschnittlich etwa 1.100 ausländische Zwangsarbeiter. Ab Mitte des Jahres 1944 wurden im Drägerwerk Hamburg-Wandsbek auch KZ-Häftlingsfrauen eingesetzt. Für etwa 500 Frauen wurde eigens ein Außenlager des KZ Neuengamme errichtet. Die Abläufe, die zum Einsatz der KZ-Häftlingsfrauen führten, zeigen, dass die Verantwortlichen im Drägerwerk zurückhaltend, verzögernd bzw. ablehnend agierten. Erst auf Druck der Rüstungsbürokratie wurde mit dem Bau des Außenlagers begonnen. Wie in allen derartigen Außenlagern unterstanden die Häftlinge SS-Wachmannschaften. Während das Drägerwerk hier kaum Einfluss auf die Behandlung der Inhaftierten hatte, war das in der Fabrik möglich. Das Unternehmen hat sich bemüht, dass es den KZ-Häftlingen wenigstens etwas besser ging. So wurden zusätzliche Lebensmittel beschafft. Der Befund basiert auf Aussagen von einigen der betroffenen Frauen und überprüfbarem Quellenmaterial.

Für das KZ-Außenlager in Hamburg-Wandsbek sind fünf Todesfälle durch Maßnahmen der SS dokumentiert. Die aus der Sowjetunion stammende Raja Ilinauk wurde im August 1944 wegen angeblicher Sabotage hingerichtet. Der Leiter des Drägerwerks Hamburg-Wandsbek hat versucht, die Ermordung der jungen Frau zu verhindern.

Versuche mit Menschen in Bunkeranlagen

Im Februar 1945 wurden die 500 KZ-Häftlingsfrauen des Außenlagers Wandsbek zusammen mit weiteren 2.500 Häftlingen aus anderen Lagern gezwungen, an Atem-Versuchen teilzunehmen. Bei diesen Versuchen ging es um die Konzentration von Kohlendioxid in Bunkeranlagen beim Einsatz von Belüftungslagen.

Das Drägerwerk war nicht der Organisator. Zuständig war der „Sonderausschuss Lufttechnische Geräte und Anlagen“. Die Versuche wurden von Prof. Karl Brandt, Leibarzt Hitlers und „Generalkommissar des Führers für das Sanitäts- und Gesundheitswesen“, veranlasst. An der Durchführung der Versuche waren Techniker des Drägerwerks beteiligt, und es kamen Dräger-Geräte zum Einsatz.

Die Versuche sollen angeblich für die Testpersonen ungefährlich gewesen sein. Doch hatten die Häftlinge Todesangst und litten unter dem steigenden Kohlendioxidgehalt. Todesfälle sind nicht überliefert.

Die wissenschaftliche Publikation, in der die Versuche erstmals detailliert rekonstruiert wurden, hat das Drägerwerk unterstützt.

Dräger ist erschüttert, dass Menschen während des Zweiten Weltkriegs an diesen Versuchen teilnehmen mussten. Es tut uns aufrichtig leid, dass diese Versuche stattgefunden haben und dass Dräger-Mitarbeiter daran beteiligt waren.

Hilfe für Verfolgte durch Heinrich Dräger und Dräger-Mitarbeiter

Der Integration in die Rüstungsbürokratie, der damit verbundenen Teilhabe am NS-System sowie den Anpassungshandlungen wie den frühen NSDAP-Beitritt von Heinrich Dräger stehen Hilfsaktionen für Verfolgte des NS-Regimes gegenüber. Das waren keineswegs nur vereinzelte Hilfeleistungen. Um diese ausführen zu können, war es essenziell, dass Heinrich Dräger als Unternehmensleiter auf die Infrastruktur des Drägerwerks zurückgreifen konnte. 1940 versuchte Heinrich Dräger, für die jüdische Familie Fritz Silten eine Ausreisegenehmigung zu erwirken. Als das nicht gelang, etablierte er eine fingierte Forschungsarbeit, die als kriegswichtig deklariert wurde. Damit wurde die Familie vor der Deportation in ein Vernichtungslager bewahrt. Vergeblich waren seine Hilfsversuche für den Juristen Dr. Philipp Kozower und dessen Familie. Sie wurden in Auschwitz ermordet.

Heinrich Dräger half auch Menschen, die von den Nationalsozialisten als „Halbjuden“ klassifiziert wurden. Dazu zählte der spätere Philosoph Hans Blumenberg. Blumenberg fand 1943 im Drägerwerk eine Anstellung, die ihm einen gewissen Schutz bot. Mindestens drei weitere sogenannte „Halbjuden“ waren wie Blumenberg im Drägerwerk angestellt.

Ein anderer Fall ist die Unterstützung von Otto Lummitzsch, der 1934 von den Nationalsozialisten der Leitung der Technischen Nothilfe enthoben wurde, weil er sich weigerte, sich von seiner „halbjüdischen“ Frau scheiden zu lassen. Lummitzsch erhielt vom Drägerwerk 1934 einen Beratervertrag und konnte so seinen Lebensunterhalt bestreiten.

Zu den Personen, die Heinrich Dräger unterstützte, gehörten auch politisch Verfolgte wie ehemalige SPD-Mitglieder und Gewerkschafter, die im Drägerwerk eine Anstellung fanden.

Entschädigung der Zwangsarbeit

Dräger beteiligte sich im Jahr 2000 an der Stiftungsinitiative "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ zur Entschädigung der Zwangsarbeiter. Christian und Theo Dräger standen als verantwortliche Firmenleiter der Initiative positiv gegenüber, verhielten sich aber zunächst abwartend, was zu Missverständnissen in der Öffentlichkeit führte.

Als Unternehmer und als Menschen, die sich für die Gesellschaft engagieren, stand es außer Frage, an der Stiftung teilzunehmen. Nachdem Rechtssicherheit gewährleistet war, trat Dräger der Initiative bei.

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