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Der Drägerman

Stefan Dräger, Vorstandsvorsitzender der Drägerwerk AG & Co. KGaA, hat im März 2023 seinen runden Geburtstag gefeiert. Grund genug für ein persönliches Gespräch – über ein erfülltes wie turbulentes Leben.

Herr Dräger, Sie sind jetzt 60 Jahre alt. Wie alt fühlen Sie sich?
Das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Manchmal wie 30, weil ich noch fit bin und eigentlich alles machen kann. Andererseits ist mir bewusst, dass ich 60 Jahre lang Erfahrungen sammeln konnte. Die möchte ich auch gar nicht wieder hergeben!

Ist es auch das, was Ihnen am Älterwerden Spaß macht?
Ja, und der Zugewinn an Gelassenheit, der dabei hilft, viele Dinge zu bewältigen. Manches, das ich nicht ändern kann, auch zu ertragen – was wiederum Energie freisetzt, die Dinge anzugehen, die ich gerne ändern möchte.

Zählen Sie sich eigentlich zu einer privilegierten Generation? Heutige 60-Jährige wirken viel jünger, auch mental, als ihre Eltern in dem Alter …
Im Vergleich zu früheren und möglicherweise auch späteren Generationen haben wir es schon gut. An Primärbedürfnissen – wie Essen, Trinken, sauberer Luft zum Atmen – mangelt es nicht. Auch die ärztliche Versorgung ist heute deutlich besser. Dass meine Generation den Planeten auszehren wird, war mir von Kindesbeinen an bewusst. Der nötige Umbruch kann nur gemeinschaftlich bewältigt werden, damit wir unseren Kindern noch etwas übrig lassen vom Planeten.

Haben Sie Vorbilder?
Schon, aber nicht eins zu eins. Mein Vater hat eine Vorbildrolle für mich eingenommen: nicht in allen, aber in wesentlichen Bereichen. Ich wollte, und das sage ich heute vielleicht zum ersten Mal, werden wie er.

Erster Luxusartikel nach Ihrem Studium?
Den hatte ich schon währenddessen: echte ungarische PICK-Salami! Die habe ich als Kind geliebt und mir im vollen Bewusstsein eines Luxusartikels geleistet. Das Kilo kostete damals mehr als 30 DM.

Sie haben Kunstwerke in Ihrem Büro. Hat Kunst Ihre Sicht auf die Welt verändert?
Schon. Mit der Kunst kommen Bereicherungen in unser Leben, die nicht auf Nutzen ausgerichtet sind – wie sonst bei so vielem, was uns antreibt.

Was würden Sie gerne besser können?
Klavier spielen und schlagfertiger sein! Manche Antworten auf unerwartete, auch knifflige Fragen fallen mir manchmal erst einen Tag später ein.

Wie viele Kilometer fahren Sie mit Ihrem selbst gebauten Elektroauto im Jahr?
Das hat nach 30 Jahren rund 30.000 Kilometer auf dem Buckel. Ich hoffe, es schafft noch die Erdumrundung.

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Stefan Dräger: „Jeder Generationsübergang muss neu und individuell geplant werden. Dafür lässt sich kein Konzept kopieren.“

Was von dem, dass Ihnen Ihre Vorgänger in der Firma hinterlassen haben, schätzen Sie besonders?  
Das sind viele Dinge! Alle Vorstandsvorsitzenden haben maßgeblich dazu beigetragen, dass es heute eine Governance-Struktur gibt, die uns vor feindlichen Übernahmen bewahrt. So können wir unsere ganze Energie in die Weiterentwicklung des Unternehmens stecken.

Die Corona-Pandemie hat den durch New Work getriebenen Strukturwandel in der Arbeitswelt beschleunigt. Welche Herausforderungen sehen Sie kurz- bis mittelfristig?

Man lernt nie aus! Der Begriff New Work muss dafür allerdings eingeordnet werden: Im Zweifel ist es die umfassende Weiterentwicklung der gesamten Arbeitswelt und -beziehung. Da treten künftig sicher noch Spannungen auf: mehr Agilität, immer neue Formationen in abteilungsübergreifenden Teams, schneller wechselnde Aufgaben usw. Das ist völlig konträr zur deutschen Bürokratie, die uns von verschiedenen Stellen immer wieder auferlegt wird. Das ist schon sehr anstrengend.

Welches Dräger-Produkt möchten Sie in den Unternehmensbereichen nie missen?
Intensivbeatmungsgeräte, um kranke Lungen zu behandeln – und Pressluftatmer für die Feuerwehr, damit Lebensretter in ihren Einsätzen gut Luft bekommen.

Familienunternehmen bilden das Rückgrat der deutschen Wirtschaft und sind zudem Innovationsträger. Beim Blick zurück: Auf welche Neuerung aus dem Hause Dräger sind Sie besonders stolz?
Auf das allererste Bergbau-Rettungsgerät, aus dem Jahre 1904 – das war bahnbrechend, denn danach wurde ein ganzer Berufsstand in Nordamerika benannt: Draegerman!

Stichwort „Klimaschutz“: Scheitert der auch deshalb, weil die Wirtschaft immer weiter wachsen soll?
Er scheitert weder an Industrie noch Politik, sondern an uns! Geht es um konkretes Handeln, regiert bei uns Menschen schnell Bequemlichkeit: Viele wollen ihre Heizung nicht runterdrehen, auch kein Windrad vor der Tür stehen haben und schon gar nicht Fahrrad oder Bahn zur Arbeit nehmen – obwohl viele es könnten. Es könnte ja regnen.

Gibt es etwas, das Sie am Kapitalismus stört?
In seiner Reinform wird die Würde des Menschen nicht genügend beachtet.

Ideen für eine gerechtere, grünere und trotzdem marktwirtschaftliche Ordnung gibt es viele. Die Vorschläge für einen „sanfteren“ Kapitalismus – weniger Markt und Wachstum, mehr steuernder Staat – werden oft von Frauen gedacht: Eine „weiblichere Weltordnung“, hätte das nicht einiges für sich?
Diese sanftere Form des Kapitalismus hat keine geschlechterspezifische Komponente. Eine weiblichere Komponente sehe ich allerdings in der künftigen Arbeitswelt, die viel attraktiver für alle jungen Menschen ist, wenn sie mehr von dem hat, was man gemeinhin als „weibliche Komponente“ bezeichnet.

Besteht da bei Dräger, auch was die Besetzung von Führungspositionen betrifft, noch Nachholbedarf?
Ja, es bleibt aber eine Herausforderung, weil wir Technik für das Leben machen – und leider vielen Mädchen schon in jungen Jahren die technische Kompetenz abgewöhnt und abgesprochen wird. Doch die ist in unserem Fall hilfreich.

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Theo Dräger, Dr. Christian Dräger und Stefan Dräger (v. l. n. r.) in der Lübecker Firmenzentrale. Der Übergang von der vierten zur fünften Generation lief fließend – doch wer kommt danach?

Welche Eigenschaften müsste der oder die nächste Dräger-Vorstandsvorsitzende haben, um das „qualifizierte“ Überleben des Unternehmens zu sichern?
Das sind einige. Er oder sie müsste unsere Preise verteidigen können und neben Kommunikationstalent auch eine Portion Schlagfertigkeit mitbringen. Das bin ich nicht so, schlagfertig war ich noch nie! Das hält sich bis heute in Grenzen. Extrovertiert bin ich auch nicht. Das wird immer wichtiger, nach außen und innen.

Halten Sie es für möglich, dass künstliche Intelligenz künftig Akademiker bei Dräger überflüssig macht?
Das können die Betroffenen am besten beurteilen, ob und wo das der Fall sein könnte. Es gibt ein sehr schönes Beispiel aus der Debitoren-Buchhaltung – da sind die Mitarbeitenden selbst auf die Idee gekommen, Bots einzusetzen, die nun repetitive Aufgaben übernehmen, damit sie sich nützlicheren Dingen widmen können.

Stichwort „Dräger im Jahr 2030!“: Was haben Sie da vor Augen?
Wir machen Technik für das Leben in den Feldern, wie wir es heute schon tun, und haben unsere Kompetenzen in der Interoperabilität sowie Systemfähigkeit ausgebaut. Wir verdienen Geld mit datenbasierten Geschäftsmodellen, und sind deutlich profitabler als heute – eine EBIT-Marge von 10 Prozent sollte es schon sein, um bei kleineren Störungen nicht gleich auf Grund zu laufen.

Wann wird denn die sechste Dräger-Generation ihre Arbeit aufnehmen?
Sobald eines meiner Kinder es will und alt genug dafür ist. Ein Grundinteresse ist vorhanden. Gespräche dazu finden in einem bestimmten Zeitfenster statt. Das liegt noch vor uns.


Wie würden Sie denn eines Ihrer Kinder auf den Eintritt ins Unternehmen vorbereiten?
Jeder Übergang muss neu und individuell geplant werden. Das ist eine Lehre, die ich aus meinen Beobachtungen gezogen habe. Da lässt sich kein Konzept kopieren. In meinem Fall war es gut, dass ich nicht gleich in der Zentrale angefangen habe, sondern in Nordamerika: „From the outside in“, sozusagen.

Wenn sich die Leser eines aus diesem Interview merken sollten, was wäre das?

Dass es einen Unterschied zwischen Menschen gibt, die interessant sind, und jenen, die sich als solches inszenieren können. Und dass ich hoffentlich zu Ersteren zähle – in Richtung: Das, was der kann, das kann und will ich auch!

Gibt es noch etwas, das Ihnen sehr wichtig ist?
Ja, die Liebe! Ich meine jetzt nicht die zwischen Menschen, zur Natur oder ungarischer Salami (grinst) – sondern dass sie die Grundlage von allem ist, wenn wir etwas erreichen wollen.

Herr Dräger, vielen Dank für dieses Gespräch!


Interview: Björn Wölke    Fotos: A. Wesenberg, P. Ohligschläger, H. Schaffrath    Veröffentlichung: August 2023

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